Antisexismus

In unserer Gemeinschaft wollen wir möglichst wenig Sexismus. Am liebsten gar keinen, aber was wir uns alles so haben ansozialisieren lassen, das wollen wir nicht ignorieren. Unser Anspruch soll also sein sexistisches Verhalten, Denken und besonders auch sexistische Erziehung zu vermeiden, zu suchen, zu kritisieren, zu hinterfragen, zu ändern, abzubauen. Bei uns sollen alle Menschen glücklich und frei sein, frei sich zu entfalten, zu sein, wer sie sein und werden wollen, so zu leben, wie sie es für richtig halten.
Wir wünschen uns die ganze Welt so, aber wir können nicht die ganze Welt verändern. Wie es bei uns ist aber schon.

 

Arbeit und Antisexismus
Bei uns dürfen alle Menschen alle Arbeiten machen, die sie machen wollen, die sie interessieren, die ihnen liegen. Das Geschlecht eines Menschen soll keinen Einfluss darauf haben, welche Arbeiten / Tätigkeiten in der Gemeinschaft übernommen werden. Das bedeutet aber auch, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht Aufgaben übernehmen müssen, die vielen Menschen unangenehm sind oder die sie bisher vermieden haben. Dies sind klassischerweise die reproduktiven Tätigkeiten: Abwaschen, putzen, aufräumen, kochen, Kinder betreuen, Beziehungspflege (z.B. Konfliktlösung, Konfliktschlichtung, Konfliktprophylaxe), Kranke und Alte pflegen, etc. Es gibt viele Gründe eine Arbeit nicht (regelmäßig) machen zu wollen – fehlende Erfahrung, Unlust, Angst vor der Arbeit, Ekel… Wir haben schon verschiedene Systeme bedacht, die uns helfen sollen diese (teilweise) unbeliebten Aufgaben gerecht zu verteilen. Welches wir davon nehmen werden, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich werden wir alle mal ausprobieren. Aus der antisexistischen Perspektive ist uns an der Reproarbeit aber wichtig, dass wir, bei welchem System auch immer, nicht wieder in die klassische Rollenverteilung verfallen, sondern dieser aktiv entgegen wirken. Zu bedenken ist dabei, dass Frauen öfter als Männer keine Ausbildung im produktiven Sektor haben, damit (mit der Ausbildung die sie haben oder auch nicht haben) also schon mal nicht zu den produktiven (im Gegensatz zu den reproduktiven) Tätigkeiten beitragen können. Dass Frauen außerdem stärker als Männer dazu erzogen und daran gewohnt sind reproduktive Aufgaben zu übernehmen und dies eher auch ohne Murren tun. Was ja aber nicht heißt, dass sie dies gerne tun. Diesen Bereich müssen wir also immer im Auge behalten.

Wichtig ist uns auch, dass vorhandene Wissens- und Erfahrungshierarchien, wenn erwünscht, abgebaut werden. Dass alle sich überall einbringen dürfen bedeutet auch, dass einige erst die Fähigkeiten erlernen oder die Erfahrung erwerben müssen. Dafür soll es bei uns explizit Unterstützung und Raum geben.

 

Erziehung und Antisexismus
Der Sexismus wird uns schon als Kleinkind, ja wahrscheinlich schon als Baby eingeimpft. Wir, die wir erkannt haben wie scheiße Sexismus ist, müssen uns nun als Erwachsene damit herumschlagen ihn zwar rational abzulehnen, selbst aber an vielen Stellen (noch) sexistisch zu denken oder sogar zu handeln. Wir wünschen uns, dass die Kinder, die in unserer Gemeinschaft aufwachsen weniger damit zu kämpfen haben werden, dass sie mit der Freiheit, die wir uns als Erwachsene in diesem Bereich wünschen, einfach aufwachsen. Das heißt, dass unsere Kinder nicht gedrängt werden sollen mit geschlechterspezifischem Spielzeug zu spielen (Mädchen Puppen, Jungs Fußball), sich geschlechterspezifisch anzuziehen (Mädchen Röcke und rosa, Jungs blau und Hose), dass sie sich ihre Beschäftigung und was sie lernen (→ selbstbestimmte Bildung) frei aussuchen dürfen.

Geschlechterspezifische Erziehung geht ja aber noch viel weiter und hier wird es uns schon schwerer fallen diese abzulegen: Mädchen werden schneller zurück gerufen (laufen, auf einen Baum klettern), werden eher gescholten, wenn sie sich schmutzig gemacht haben, Mädchen wird allgemein eine geringere Leistungsfähigkeit zugesprochen, sie dürfen sich eher ausruhen, Jungs dagegen dürfen viel eher „wild“ sein. Jungs dürfen nicht weinen und sollen sich nicht beklagen. Von Mädchen wird erwartet, dass sie im Haushalt helfen, während die Jungs schon nach draußen zum Spielen dürfen. Wir wollen versuchen diese unterschwelligen Zuschreibungen zu vermeiden, als Gruppe, als Eltern, als Unterstützung der Eltern, als sozialer Hintergrund, als Bezugspersonen…

Daneben gibt es dann auch noch die Beobachtungen der Kinder: Welche Rollen haben die Erwachsenen? Wer tut was, wer verhält sich wie? Wer ist stark, wer ist schwach? Wer bringt ihnen was bei? All diese Dinge kriegen Kinder mit und verinnerlichen sie, was dann später daraus wird können wir nur ahnen, dass sie aber wenigstens einen Teil davon als normal, als natürlich ansehen werden ist uns klar. Nun ist die Frage was sie sehen: Bei uns hoffentlich gleichberechtigte Menschen, die alle unterschiedlich und individuell sind, SpielgefährtInnen, die drei Mamas oder zwei Papas haben, einen Opa, der immer so schöne bunte Röcke trägt? Wünschenswert wäre es auch, wenn bei uns gerade viele Menschen leben, die ein von der Norm abweichendes Begehren haben (Homo, Bi, Queer, Poly…), weil wir damit unseren Kindern eine andere Welt vorleben würden, als die verrückte außerhalb unserer Gemeinschaft.

 

Macht, Entscheidungen, Reden und Antisexismus
In einer konsensbasierten, gemeinschaftlich organisierten Gemeinschaft kann es natürlich keinen Raum für Machtungleichheiten aufgrund des Geschlechts geben. Alle haben den gleichen Zugang zu Geld (aus dem sonst schnell Machtverhältnisse erwachsen), zu Wissen über die Gemeinschaft und alle haben eine gleichwertige Stimme. Das aber nur in der Theorie. Wir erleben es z.B. immer wieder, dass auch in noch so antisexistischen Gruppen die Männer lauter und länger reden. Damit haben sie automatisch auch mehr Macht, denn nur wer seine Argumente präsentiert / präsentieren kann und auch gehört wird, kann Entscheidungen beeinflussen. Theoretisch ist es natürlich immer möglich als „übergangene“ Person am Ende des Entscheidungsfindungsprozesses ein Veto einzulegen, aber wir wollen es möglichst gar nicht dazu kommen lassen.

Schleift sich das ein kann es schnell dazu kommen, dass solche Menschen sich langfristig aus den Entscheidungsprozessen raushalten, also faktisch doch unterdrückt werden und / oder ihre Abstimmung „mit den Füßen“ machen, also einfach so handeln, wie sie es für richtig halten. Wir haben dazu noch keine perfekte Lösung. Wichtig ist uns jedenfalls, dass wir die uns antrainierten Unterschiede in Redeverhalten, Gestik, Lautstärke, Redezeit und so weiter nicht wegdiskutieren, sondern bedenken und nicht nur versuchen ihren Einfluss strukturell zu vermindern, sondern auch langfristig abzubauen.

 

Grenzüberschreitung, Gewalt und Sexismus
Sexualisierte oder sexuelle Gewalt ist in der Normalgesellschaft völlig normal, wird von vielen noch nicht einmal wahrgenommen. Bei uns wird sexualisierte und sexuelle Gewalt nicht akzeptiert, nicht toleriert, sondern führt eher zum Ausschluss. Wer in der Gemeinschaft jemand anderen vergewaltigt (um es mal auf die Spitze zu treiben) fliegt unter Verlust jeglicher Mitgliedschaftsrechte raus – und zwar für immer. Bei uns wird es keinen Raum für Rechtfertigungen und Ausreden geben.

Grenzüberschreitungen sind noch alltäglicher und nicht immer sexistisch. Hier geht es jedoch um die explizit sexistische Grenzüberschreitung: Begrapschen, antatschen, streicheln, küssen, die unsichtbare Blase um das Gegenüber betreten – ohne die Zustimmung derjenigen Person, die da gestreichelt, geküsst, betatscht oder was auch immer wird. Wer sich dazu hinreißen lässt, jemandes Grenzen zu überschreiten, ohne vorher dessen verbale Zustimmung einzuholen, begibt sich auf glattes Eis – wenn sich das Gegenüber dann zur Wehr setzt, mit Worten oder Taten hat man eben Pech gehabt. Und das gilt bei uns für Frauen wie für Männer.

Da es in unserer Gesellschaft klar ist, dass immer die Männer die Täter sind, die Frauen die Opfer wird leicht übersehen, dass das ja nicht so sein muss. Wenn sich eine Frau einem Mann gegenüber sexistisch grenzüberschreitend verhält ist das natürlich genauso wenig ok wie umgekehrt. Überhaupt ist es scheißegal welches Geschlecht irgendwer hat oder auch nicht, Grenzüberschreitungen, sexuelle und sexualisierte Gewalt sind nie ok.

 

Allgemeine Rollenklischees
Wir wollen daran arbeiten unsere ansozialisierten Rollenklischees zu erkennen und abzubauen. Bei uns soll niemand in eine bestimmte Rolle gedrängt werden, die er oder sie gar nicht will. Auch wollen wir daran arbeiten einander nicht in Schubladen zu stecken oder einander Rollen zuzuschreiben. Diese geschlechtsspezifischen Rollenklischees sind überall in unserem Leben präsent: Es gibt geschlechtsspezifische Kleidung und Farben, Körperhaltungen, Interessensgebiete, Talente und Fähigkeiten, Erfahrungen, Charaktereigenschaften und wahrscheinlich noch viel mehr. Alle diese wollen wir ablegen, um selbstbestimmt leben zu können und weder uns selbst noch den anderen bestimmte Rollen und Muster anzudichten oder gar vorzuschreiben oder von ihnen zu erwarten. Außerdem wollen wir „unseren“ Kindern solches nicht vorleben, auf dass sie später einmal ein freieres Leben führen können.

 

Geschlecht: Sex und Gender
Wir sind uns bewusst, dass es biologische Unterschiede bei den Geschlechtern gibt und dass nicht alle Menschen biologisch eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können. Die in unserer Gesellschaft vorgefundenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind allerdings zum größten Teil kulturell, also konstruiert.

Wir wollen uns kritisch mit diesen konstruierten Rollenmustern und angeblichen Geschlechter-Eigenschaften auseinandersetzen. Uns ist es wichtig, dass in unserer Gemeinschaft alle geschlechterspezifische Kulturelemente ausleben können, wie sie das wollen, unabhängig davon, wie die gesellschaftliche Norm das definiert. Es wäre schön, wenn jedeR für sich hinterfragt, ob erSie ein bestimmtes Kulturelement mag (oder nicht mag), weil es seinemIhrem Geschlecht von der Gesellschaft zugeordnet wird oder es einfach mag, völlig unabhängig von der gesellschaftlichen Zuschreibung. Ebenfalls ist natürlich jedeR frei zu lieben wen immer er/sie will und jedeN zu begehren, egal welches Geschlecht er/sie bzw. die begehrten Menschen haben.